Fanny Noël und Diogo Lopes von Cabinet Architects schöpfen aus der Vielfalt ihrer Hintegründe. Dem jungen Genfer Büro gelingen mit präzis eingesetzten Mitteln charakteristische Architekturen.
Wilde Karte #07 Finalist: Cabinet Architects
Die Projekte des Genfer Büros Cabinet kommen Architekturinteressierten wahrscheinlich irgendwie bekannt vor – man hat sie schon mal gesehen, auf einer einschlägigen Website vielleicht, auf Social Media, im Magazin ‹ Werk, Bauen + Wohnen › oder in der Westschweizer SIA-Publikation ‹ Tracés ›. Man kann daraus auf ein breites mediales Interesse am Werk des jungen Architektenduos Fanny Noël und Diogo Lopes schliessen, aber auch auf deren Fähigkeit, das mediale Interesse zu wecken ( nicht umsonst haben sie ihre Arbeiten in einem umfangreichen und sorgsam gestalteten Portfolio im Eigenverlag festgehalten ).
Für den Wiedererkennungseffekt entscheidender ist aber die formale Bestimmtheit ihrer Architektur. Mit den beiden bislang realisierten Bauten – der ‹ Maison des Jardiniers › in Thônex und dem ‹ Studio pour une Artiste › am Stadtrand von Genf – gelingen Cabinet charakteristische, in gewissem Sinn auch rätselhafte Objekte, die sich als einprägsame Bilder im Kopf festzusetzen wissen. Dabei handelt es sich im Grunde um bescheidene Kleinbauten. Die ‹ Maison des Jardiniers ›, die eine Werkstatt, Lagerräume und einen Aufenthaltsraum beherbergt, ist eigentlich nichts anderes als ein Werkgebäude der Gemeinde. Noël und Lopes haben dem nüchternen Programm gleichwohl poetische Momente abgerungen und sie in eine auch zur Öffentlichkeit sprechende Architektur übersetzt: Eine Laterne setzt ein von Weitem sichtbares Zeichen in der Landschaft, eine konkave Fassade nimmt in ihrer Mitte einen Brunnen auf. Den vom Volumen angedeuteten Kreis sollen in Zukunft Bäume vervollständigen, sodass ein fast schon mythisch zu nennender Ort entsteht, der im Niemandsland eines Neubaugebiets Verbindungen zwischen gewachsener Natur, gestalteter Landschaft und gebautem Kontext herstellt. ‹ Figures and Fields ›: Der Titel ihres Portfolios legt nahe, dass Noël und Lopes sich genauso für den Raum wie für das Volumen interessieren oder präziser wohl: für deren Interaktion, für die Konzentration verschiedener Themen in gebauter Form.
Die eigene Position suchen
Cabinet ist zwar in den altehrwürdigen Räumen eines städtischen Eckhauses am Boulevard Georges Favon eingemietet, hat aber keine lokalen Wurzeln. Im Gegenteil: Fanny Noël hat in Paris studiert, Diogo Lopes in Coimbra. Kennengelernt haben sie sich bei der mehrjährigen Arbeit für den Genfer Architekten Jean-Paul Jaccaud, wobei vor allem die gemeinsame Zeit in dessen Londoner Büro prägend war. Sie hätten sich erst architektonisch finden müssen, so berichten sie. Noël brachte aus Frankreich einen rationalen Zugriff auf Entwurfsaufgaben mit, Lopes den empirischen Ansatz der portugiesischen Architekturkultur. Wanderungen durch die Londoner Strassen und lange Fahrten durch die englische Landschaft zu ausgewählten Gärten und Bauten ermöglichten im gemeinsamen Sehen und Diskutieren die Erarbeitung eines eigenen Standpunkts und die Gründung des eigenen Büros im Jahr 2019.
Die in ihrer Reduktion an akkurate Kartonmodelle erinnernde Architektur von Cabinet mit ihrer Vorliebe für primäre geometrische Formen und markante Farben lässt freilich auch den Einfluss der zeitgenössischen Schweizer Architekturszene erkennen, die ihrerseits auf die inter-nationale Postmoderne zurückblickt. Insofern sind auch Fanny Noëls und Diogo Lopes, Figuren auf einem Feld – es dürfte interessant sein zu beobachten, wohin die beiden sich bewegen werden.