Wilde Karte #06 Finalist: Studio Bisig Rocchelli

Fabian Bisig und Lucia Rocchelli sind um die halbe Welt gereist und in Trin gelandet. In der Stille des Bergdorfs entwerfen sie zwischen Computer, Staffelei und Schreinerwerkstatt.

Die Strassen und Dächer von Trin sind regennass. Im Sockelgeschoss eines alten Wohnhauses schenkt Lucia Rocchelli Tee ein: «Wir sind froh, dass wir unser Atelier hier einrichten konnten», sagt die Architektin. Zuvor befand sich das Studio Bisig Rocchelli in einem Stall, da waren es am Morgen manchmal nur fünf Grad. Die getäferten Wände sind übersät mit Plänen, Skizzen und Fotos. Auf einem Regal stapeln sich Modelle. Am Fenster haben Lucia Rocchelli und Fabian Bisig ihre Computerarbeitsplätze eingerichtet, daneben steht ein Zeichentisch. Im Stall schreinern und schnitzen die beiden oder fertigen Gipsskulpturen an. Für sie sind manuelle Tätigkeiten Ausgleich und Inspirationsquelle. Computerarbeit sei notwendig und praktisch, aber auch betäubend. «Handarbeit dagegen ist sinnlich – man wird nicht mit Inhalten bedient, sondern kreiert selbst welche», sagt Rocchelli.

Die Stille von Trin ermöglicht es ihnen, so zu arbeiten. Dass sie hier landen würden, war aber nicht von langer Hand geplant. Vielmehr führten die Windungen der bewegten Leben der Norditalienerin und des Entlebuchers in das Bergdorf. Lange bevor sich ihre Wege in Tokio kreuzten, machte Bisig eine Schreinerlehre in Sörenberg, studierte Architektur in Luzern und Brüssel, reiste nach Dänemark und Sri Lanka, arbeitete in Zürcher Architekturbüros. Rocchelli zog es während ihres Studiums in Pavia nach London und in die Vereinigten Staaten, für Praktika ging sie nach Thailand und Berlin. Nach vier Jahren in Japan nahm sie 2020 eine Stelle bei Nikisch Walder in Flims an, dem Nachbardorf von Trin.

Studio Bisig

Die Weitgereisten wurden im Dorf schnell heimisch. Für einen Bekannten planen sie aktuell einen Stallausbau, in Tschappina renovieren sie ein historisches Walserhaus. In einer zu Trin gehörenden Waldsiedlung wird demnächst das Projekt ‹Raum im Wald› fertig. Das vier auf zwölf Meter grosse Minimalhaus soll der Familie, die daneben wohnt, als Wohnraumerweiterung für kommende Generationen dienen. Das Konstruktionsholz stammt aus lokalem Forst, die Dämmung ist aus Glarner Schafwolle. Um den Waldboden zu schonen, stehen das Haus und die benachbarte doppelgeschossige Laube auf Pfählen. Nebst lokalen Referenzen beeinflussten japanische Vorbilder den Entwurf. «Das Pultdach mit dem weiten Vordach zur Talseite erzeugt im Inneren ein horizontales Blickfeld in die Natur», sagt Bisig. «Hierzulande soll immer alles hoch und offen sein. Doch die Gegenbewegung schärft den Fokus und schafft Geborgenheit.»

Das Handwerkliche und das Lokale liegt dem Studio Bisig Rocchelli. Zwar sind sie auch ausserhalb der Schweiz tätig; in Flandern bauten sie für eine Bekannte kürzlich ein Gehöft um und erweiterten es. Die Distanz und die eingeschränkten Möglichkeiten, mit den Beteiligten direkt zu kommunizieren, fanden sie aber ungünstig.

Eine Zukunft in Trin können sich Bisig und Rocchelli vorstellen. Klar ist aber: «Zwischendurch müssen wir weg von hier, sei mit einer Reise ins Ausland oder nur mit einem Ausflug nach Zürich.» In die Schublade der ‹Hölzigen›, der Dorfarchitektinnen oder Stall-Transformierer wollen sie sich ohnehin nicht stecken lassen. «Nun sind wir mit kleinen Projekten beschäftigt», sagt Bisig. «Wir träumen aber auch von etwas Grösserem.»

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